Einfach ausgedrückt stellt die Temperatursumme die akkumulierte Wärme über einen bestimmten Zeitraum dar. Wärme ist einer der wichtigsten Faktoren in der Pflanzen- und Tierwelt. Da Wärme nicht direkt messbar ist, sondern nur die Temperatur, wurde ein Modell der effektiven Temperatursummen entwickelt.
Die akkumulierte Lufttemperatur in einem bestimmten Zeitraum bestimmt mehr oder weniger das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen. Um die aufgezeichnete Tagestemperatur zur Bestimmung von Phasen des Pflanzenwachstums, der Entwicklung von Pflanzenkrankheiten oder Schädlingen nutzen zu können, wurde das Modell der effektiven Temperatursummen eingeführt. Nach Definition ist die Temperatursumme oder der „degree day“ ein Maß für die angesammelte Wärme über einem bestimmten Temperaturschwellenwert innerhalb eines bestimmten Zeitraums – etwa eines Tages, Monats, einer warmen oder kalten Jahreszeit oder zwischen zwei Entwicklungsphasen einer bestimmten Pflanze. Die Temperatursumme wird berechnet, indem man von der durchschnittlichen Tagestemperatur den Temperaturschwellenwert abzieht. Zum Beispiel: Ist der Schwellenwert 10 °C und liegen die Durchschnittstemperaturen an fünf Tagen bei 12, 14, 9, 11 und 15 °C, dann ergeben sich effektive Temperaturen von 2, 4, 0, 1 und 5 °C. Die effektive Temperatursumme beträgt in diesem Zeitraum 12 °C. Die Basistemperatur wird je nach Bedarf gewählt – z. B. bei der Bestimmung der Reife von Weintrauben wird als biologisches Minimum ein Schwellenwert von 10 °C angenommen.
Beispiele für die Nutzung von Temperatursummen in der Landwirtschaft
Temperatursummen können in der Landwirtschaft für verschiedene Zwecke genutzt werden:
- Vergleich landwirtschaftlicher Regionen und Jahreszeiten
- Standortwahl und Sortenauswahl beim Anlegen von Plantagen
- Prognose der Entwicklung von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen
- Vorhersage von Entwicklungsphasen von Pflanzen
- Bestimmung des optimalen Zeitpunkts für agrartechnische Maßnahmen
Studien in den Niederlanden und England zeigten, dass der optimale Zeitpunkt für die Ausbringung von Stickstoffdünger bei Getreide liegt, wenn die Temperatursumme zwischen 200 °C und 300 °C liegt. Der Schwellenwert beträgt 0 °C, und Werte unterhalb von 0 °C werden ignoriert. Eine Düngung vor Erreichen von 200 °C führte zu schlechterem Pflanzenwachstum.
Bei der Standortwahl für neue Pflanzungen ist es wichtig, Informationen über das Mikroklima des Standorts zu haben – unter anderem, wie viele effektive Temperaturen während der Vegetationsperiode akkumuliert werden. Außerdem ist es wichtig zu wissen, welche Temperatursummen für Blüte und Fruchtreife einer bestimmten Kultur oder Sorte erforderlich sind.
Vergleicht man diese beiden Daten, lässt sich leicht erkennen, ob die Kultur oder Sorte zum Mikroklima des Standorts passt. Natürlich spielen neben der Temperatur auch andere Faktoren eine wichtige Rolle: Niederschläge, Wind, Sonneneinstrahlung, Boden, Grundwasser, Spätfrostgefahr u. a. An Standorten mit erhöhter Spätfrostgefahr sollte man Sorten oder Kulturen bevorzugen, die später austreiben, um Frostschäden zu vermeiden.
Weinrebe und Temperatursummen
Einer der wichtigsten limitierenden Klimafaktoren für den Weinbau ist die Temperatur bzw. Wärme. Üblicherweise wird die durchschnittliche Jahrestemperatur als Kennwert verwendet, doch aus weinbaulicher Sicht ist das nicht ausreichend. Als besserer Indikator hat sich die effektive Temperatursumme mit einem biologischen Minimum (Schwellenwert) von 10 °C erwiesen. Die Vegetationsperiode der Rebe reicht von Anfang April bis Ende Oktober. Nach dieser Grundlage hat Winkler (1974) alle Weinbaugebiete weltweit in fünf Klimazonen eingeteilt (siehe Tabelle unten).
Klimazone | Effektive Temperatursumme | Weinbauregionen weltweit | Weinbauregionen/-unterregionen in Kroatien |
---|---|---|---|
I | < 1371 °C | Tasmanien, Champagne, Burgund, Friaul, Chablis | Moslavina, Prigorje-Bilogora, Plešivica, Pokuplje, Zagorje-Međimurje |
II | 1372–1648 °C | Yarra Valley, Elsass, Bordeaux, Napa | Slavonija, Podunavlje |
III | 1649–1926 °C | Rioja, Piemont, Clare Valley, Kapstadt, Barossa Valley | Teile von Norddalmatien und der Dalmatinischen Zagora |
IV | 1927–2204 °C | Langhorne Creek, Montpellier, Florenz, McLaren Vale, Provence | Istrien, Kroatisches Küstenland, Teile von Norddalmatien |
V | >2205 °C | Sizilien, Sardinien, Jerez, Swan Valley | Mittel- und Süddalmatien – Küsten- und Inselregionen |
Es ist bekannt, dass autochthone Sorten weltberühmter Weinregionen auch in anderen Gebieten erfolgreich kultiviert werden können, solange die weinbauliche Klimazone übereinstimmt. Ein Beispiel ist die Einführung der bekannten Sorten (Grenache, Carignan, Syrah u. a.) aus der Region Provence (Frankreich) in die Ravni kotari bei Zadar.
Die Einteilung nach effektiven Temperatursummen eignet sich besonders gut zur Sortenwahl für bestimmte Anbaugebiete. Rebsorten unterscheiden sich deutlich in ihrer Reifezeit, was auf ihre genetische Variabilität zurückzuführen ist. Pulliat (1897) unterteilte Sorten auf Grundlage der Temperatursumme in fünf Gruppen:
- Sehr frühe Sorten: 1000–1200 °C
- Frühe Sorten: 1200–1350 °C
- Mittelfrühe Sorten: 1351–1600 °C
- Späte Sorten: 1601–2000 °C
- Sehr späte Sorten: über 2000 °C
Frühe Sorten reifen also bei niedrigeren Temperatursummen und eignen sich für Zonen mit geringeren Temperatursummen (z. B. Chardonnay in Kontinentalkroatien), während späte Sorten deutlich mehr Wärme für die Reife benötigen und nur in Regionen mit hohen Temperatursummen ihre optimale Reife erreichen (z. B. Plavac mali crni in der Primorska Hrvatska).
Sorte | Austrieb | Blüte |
---|---|---|
Chardonnay | ~75 °C | ~345 °C |
Cabernet Sauvignon | ~87 °C | ~375 °C |
(Temperaturschwelle 10 °C, Beginn der Berechnung: 01.03.)
Pflanzenkrankheiten und Schädlinge
Wie die Wärme die Pflanzenentwicklung beeinflusst, so wirkt sie sich auch auf den Lebenszyklus von Pflanzenpathogenen und Schädlingen aus. Temperatursummen werden beispielsweise zur Bestimmung der Reife bodenbürtiger Oosporen des Falschen Mehltaus der Rebe verwendet. Die Oosporen gelten als reif, wenn seit Jahresbeginn 160–170 °C akkumuliert wurden, wobei die Temperaturschwelle bei 8 °C liegt.
In der Türkei wurde eine Studie zur Bestimmung der Temperatursummen für das Auftreten des Traubenwicklers durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass die erste Generation bei etwa 120 °C erscheint, die zweite bei 520 °C und die dritte bei 1047 °C. Der Temperaturschwellenwert lag bei 12 °C.
Die PinovaMeteo-Station ermöglicht in Verbindung mit PC und mobiler App eine einfache Berechnung von Temperatursummen. Mehr Informationen dazu unter PinovaMobile und PinovaSoft.